Metro Exodus - Review

Als Dmitri Gluchowskis erster Metro-Roman vor nunmehr neun Jahren als Videospiel in die beklemmende Unterwelt im postapokalyptischen Moskau einlud und damit gleichzeitig die ukrainischen 4A Games entstanden sind, wurde der erfolgreiche Grundstein für eine neue Shooter-Reihe gelegt. Mit Metro Exodus erblickt nun der dritte Ableger das Licht der Welt, der die Geschichte fortführt, jedoch nicht mehr direkt auf einem Roman basiert und mit neuen Gameplay-Freiheiten lockt. Raus aus den engen Tunneln der U-Bahn, hinaus in das weite, vielfältige Russland.

Alles haben 4A Games bei ihrem bisher ambitioniertesten Projekt natürlich nicht neu erfunden und so bleiben sie sich in vielen Punkten treu. Der ständige Überlebenskampf mit gelegentlichen Horror-Momenten, das Schießen und das Schleichen stehen, ebenso wie erweiterte Erkundungsmöglichkeiten, auch in Metro Exodus auf dem Programm und natürlich dürfen die dichte Atmosphäre und die erzählerischen Stärken nicht fehlen. Doch im Gegensatz zu Metro: Last Light und dem ersten Spiel wagt man sich nun in eine offenere Welt, die man mit Hilfe einer Dampflok erkundet. Die Reise führt durch vier Jahreszeiten und damit auch durch abwechslungsreiche Klimazonen, inklusive Tag-Nacht-Wechsel und dynamischer Wettereffekte.

Auch ich wage gewissermaßen Neues, denn bisher konnte ich mit keinem der beiden Vorgänger richtig warm werden, zumal Shooter ohnehin schon lange nicht mehr mein bevorzugtes Genre sind - auch wenn in der Uncharted-Reihe natürlich auch viel geballert wird. Doch ich habe viel Gutes gehört und wollte Exodus eine Chance geben. Vor allem auch deshalb, weil mein Interesse durch das "Uncovered" Gameplay-Video und den gelungenen "Artjoms Albtraum" Cinematic-Trailer besonders geweckt wurde.


Metro Exodus
Es geht los. Der Aufbruch ins Endzeit-Abenteuer ist nur einen Klick entfernt.


Was bisher geschah ...



Dank eines erstklassigen Intros werde ich auch als Neuling gut an die bisherige und vor mir liegende Story im Jahre 2036 rund um Artjom und die Metro herangeführt, an seine Hoffnung auf ein besseres Leben und den unermüdlichen Willen und Drang, die Metro zu verlassen. Doch meine ersten Schritte beginnen in den gleichen Tunneln der Moskauer U-Bahn, welche seit über 20 Jahren als Heimat für zahlreiche Überlebende dienen und denen Artjom entfliehen will.

Die Atmosphäre packt mich bereits von der ersten Minute: Dieses beklemmende Gefühl auf unbekanntem Terrain, die Angst, einen falschen Schritt zu machen oder ein wichtiges Detail zu verpassen, während ich mich vorsichtig durch die dunklen Tunnel bewege und dabei durch die leicht lädierte Atemmaske blicke, reißt sofort mit. Immerzu höre ich irgendwelche seltsamen Geräusche, die nur durch das gelegentliche Ausschlagen meines Geigerzählers übertönt werden, der in meiner Controller-Hand vor sich hin knistert. Noch nimmt mich das Spiel an die Hand und verrät mir, wann und wie ich mein Feuerzeug zücken soll, um lästige Spinnweben loszuwerden – nur um einen besseren Blick auf die umherliegenden Leichen, verrottetes Metall und das ewige Eis zu erhaschen, während mir kleine Achtbeiner übers Visier krabbeln. Schönen Dank auch.

Dann werden die Geräusche lauter. Auf jeden Fall auch bedrohlicher. Schatten huschen umher. Ich checke meine Waffe, lade nach, um für alles bereit zu sein. Schon wenige Sekunden später blicke ich dem ersten Mutanten Auge in Auge in seine hässliche Fratze. Während das Vieh, das quasi aus dem Nichts kam, hartnäckig darum kämpft, seine spitzen Zähne in mich zu bohren, drücke ich heftig auf die Quadrat-Taste, um diese erste Quick-Time-Einlage irgendwie lebend zu überstehen. Der finale Schuss geht mitten zwischen die Augen - und der Mutant sackt zu Boden. Doch es sollte nicht der letzte sein: Viel zu laut war mein Überlebenskampf, das Abfeuern der Waffe hallt in den Tunneln immer noch nach, als drei weitere Artgenossen aus den Wänden hüpfen und es auf mich abgesehen haben. Mit wenigen gezielten Schüssen bereite ich als Artjom dem Spuk ein Ende. Aber die atomare Strahlung hat über die Jahre für reichlich Mutanten-Nachschub gesorgt und so gerate ich schnell in eine ausweglose Situation, aus der mich nur noch meine Kameraden des Spartaner-Ordens retten können. Alles beruhigt sich und ich wache schließlich in der Krankenstation unseres Tunneldorfes wieder auf.


Metro ExodusMetro Exodus
Enge Tunnel und Höhlen mit Mutanten erinnern an alte Zeiten.


Artjoms unermüdlicher Wille wird belohnt



Zunächst stoßen Artjoms waghalsige Ausflüge auf wenig Begeisterung. Nach wie vor herrscht bei den Menschen in der Station die Überzeugung, dass sie die einzigen Überlebenden des letzten Krieges sind. Bis ich diesen einen Funkspruch aufschnappe, mit Anna auf einer Außenmission einen Zug erspähe und die Geschichte ihren Anfang nimmt. Sie beginnt gewissermaßen mit der Metrolüge: der Lüge, dass alle um Moskau herum tot sind, weil im Laufe der Jahre alle Funkaktivitäten verstummt sind. Der Lüge, dass die Metro-Station den einzigen sicheren Lebensraum bietet und Artjoms Wunsch nach einem besseren Leben für immer ein Traum bleiben wird. Einer Lüge, die mit einem Zug zerschlagen wird. Der Aurora - benannt nach der Morgenröte im Osten, wohin mich auch meine lange Reise in Metro Exodus führen soll.

Bevor allen die Augen geöffnet werden und ich mich mit den Jungs der Spezialeinheit, meiner Frau Anna und ihrem Vater - dem Oberst und Kommandanten persönlich - auf eine Achterbahnfahrt quer durch Russland begebe, passiert bereits in den ersten Augenblicken des Spiels sehr viel. Und davon möchte ich an dieser Stelle nichts weiter spoilern, um euch so wenig wie möglich vorweg zu nehmen. Die Einführung hat mir ziemlich gut gefallen, da sie direkt im Geschehen stattfindet und - abgesehen von den (abschaltbaren) Bildschirm-Tipps und Einblendungen - kein Tutorial-Feeling aufkommen lässt. Ich werde mit Artjom eiskalt in den Überlebenskampf geworfen.


Metro Exodus
Endlich! Frische Luft atmen und im eiskalten Winter die Sonnenstrahlen genießen.


Der logische Schritt raus aus den Tunneln



Um neben den offensichtlichen Änderungen auch die spielerischen Unterschiede und Feinheiten im Detail gegenüber dem direkten Vorgänger auszumachen, habe ich mir unter anderem nochmal die Review zu Metro: Last Light aus dem Jahr 2013 von Phil zu Gemüte geführt, dabei aber zunächst mehr vom Gleichen wiederentdeckt. Das Crafting und das Zusammenstellen und Optimieren der Waffen sind nach wie vor sehr vielseitig und ermöglichen somit eine unkomplizierte Anpassung an neue Situationen und Herausforderungen. Insbesondere deshalb, weil Artjom kleinere Anpassungen auch mit Hilfe seines neuen Rucksacks unterwegs erledigen kann und nicht immer zurück an die Werkbank in einem Lager bzw. der Aurora muss. Neu ist jedoch, dass sich neben den Waffen auch die Ausrüstung, wie Atemmaske, Artjoms Armband oder auch die Rüstung, verbessern lassen.

Besagte Safe-Spots sind spärlich auf der Karte verteilt und bieten mindestens einen Schlafplatz, um den langsamen Tag-Nacht-Zyklus gezielt zu variieren. Ein feindliches Lager in der Nacht zu infiltrieren, kann taktische Vorteile mit sich bringen. Tagsüber lässt es sich besser durch die Wildnis streifen und meist auch wesentlich besser die Umgebung mit dem Fernglas auskundschaften. Letzteres geschieht ganz ähnlich wie in Mad Max – insbesondere das Wüstenkapitel im nunmehr ausgetrocknetem Kaspischen Meer erinnert stark an das Open-World-Spiel der Avalanche Studios. Während ich mit meinem Fernglas über den Horizont wandere, signalisiert ein Geräusch einen Hotspot. Einmal mit höchster Zoomstufe ins Visier genommen, wird selbiger auch gleich mit einem Fragezeichen auf der Karte markiert. Doch keine Angst: Ein Missionsoverkill mit unzähligen Markern – wie in den Assassin's-Creed-Spielen, der Far-Cry-Reihe oder anderen Open-World-Vertretern der jüngeren Zeit -, die euch die Karte zukleistern, erwartet euch in Metro Exodus nicht. Die Karte zieht Artjom übrigens in Echtzeit aus der Jacke, während das Spiel um einen herum weiterläuft.

Generell geht das Spiel an den richtigen Stellen nach dem Motto "Weniger ist mehr" vor und ballert mir daher auch den Bildschirm oder das Spielmenü nicht mit unnötigem Zeug zu. Das HUD ist auf das Nötigste reduziert, d.h. es gibt auch keine Minimap, keine Wegpunkte, kein Navi, keine XP, keine Schadenszahlen, keine Lebensbalken, keinen anderen Schnickschnack. Der Survival- und Endzeit-Immersion tut das äußerst gut. Vor allem, da diese durch das zusätzliche Ressourcen-Management noch verstärkt wird. Artjom kann zum Beispiel nicht unendlich lange rennen, er gerät aus der Puste. Er atmet schwer. Sein Herz pocht, der Puls geht hoch. Das hört man. Das fühlt man am Feedback im Controller. Dazu braucht es keinen Anzeigebalken. Das ständige Looten von Metall und Chemikalien sowie das Zerlegen von Waffen werden auf Dauer zwar eintönig und zur Routine, gehen aber eher beiläufig von der Hand.

Ohnehin sind es viele kleine Details, auf die 4A Games nach wie vor achtet und die einem erst im direkten Vergleich mit diversen eher oberflächlichen Action-Adventures bewusst werden. Manches wirkt jedoch auch nicht konsequent zu Ende gedacht. Der Stealth-Gedanke zum Beispiel: Im Nahkampf kann ich Gegner zwar ausknocken, ohne sie zu töten, doch spätestens bei meiner Armbrust, die man im wunderschönen, aber auch trügerischen Herbstlevel erhält, hätte ich mir wenigstens Betäubungsbolzen gewünscht. Mit den gesammelten Chemikalien hätte sich da sicherlich etwas mixen lassen. Doch die gesamte Munition des Spiels ist dafür nicht vorgesehen.


Metro Exodus
Liebesgrüße aus Russland: Mit den Spartaner Rangers durch die Wüste und idyllische Herbstwälder.


Geschichten aus Russland



Auch wenn ich die meisten Figuren um Artjom herum eher uninteressant fand und einige von ihnen in der Welt nur einen kurzen Auftritt ohne echte Tiefe erfahren, sind Zuhören und das Belauschen wichtige Bestandteile des Spiels - genauso wie Bücher und Audiologs, die man gelegentlich auf dem Weg findet. Leider ist vieles davon optional und birgt daher auch die Gefahr, dass man besondere Hinweise, interessante Nebengeschichten oder eben auch Hintergründe zu den Charakteren schlichtweg verpasst. Eine Frau namens Olga zum Beispiel erzählte mir in einem rund 15-minütigen Monolog so ziemlich alles Wissenswerte über die Region und die dortigen Geschehnisse. Daher sollte man sich generell Zeit für Metro Exodus nehmen. Die Entwickler selbst veranschlagen eine Spielzeit von rund 20 Stunden – das kommt bei mir auch in etwa hin und dürfte je nach Spielweise, Schwierigkeitsgrad und der Erkundungsintensität variieren.

Während die Hauptstory linear verläuft, werden mir aber gerne auch mal in Gesprächen beiläufig zusätzliche Aufgaben aufgetragen oder unterschwellig vermittelt, ohne dabei irgendein Questlog wie eine To-Do-Liste vollzustopfen. Für Zuhören und Beobachten ist deshalb eine gewisse zeitliche Gelassenheit angebracht. Den Teddy für ein gerettetes Mädchen wiederzubeschaffen, obwohl der Zielort weit weg von meiner eigentlichen Route liegt und ich womöglich dabei draufgehen könnte, während das große Ganze auf dem Spiel steht - das ist natürlich Ehrensache. Sie wird es mir für immer danken. Grundsätzlich gehen Charaktere auf die Ereignisse und meine Handlungen in direkten Gesprächen mit Artjom oder untereinander ein, was sehr gut zur allgemeinen Atmosphäre und der Authentizität beiträgt und in Richtung interaktives Storytelling geht, da alles automatisch geschieht.

Schleichen ist auch in Exodus an vielen Stellen die klügere Wahl. Das gilt vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden, da man dort verstärkt unter Ressourcen- und Munitionsknappheit leidet und bei Feindkontakt schneller ins Gras beißt. Zudem raten mir auch meine Missionsgeber bei vielen Besprechungen dazu, eher leise, bedacht und unauffällig vorzugehen. Daran kann ich mich halten - oder eben austesten, was passiert, wenn es anders läuft. Nicht nur daher habe ich Metro Exodus über weite Strecken als Stealth-Action erlebt und spätestens, als ich den grünen Laser an eine Waffe montiert und das Nachtsichtgerät freigeschaltet hatte, dachte ich an Sam Fisher und fragte mich, wann Ubisoft denn nun ein neues Splinter Cell ankündigen wird.

Die Spielart soll auch die Geschichte und deren Ausgang beeinflussen, ohne einen zweiten Durchgang konnte ich bisher jedoch nur einen davon erleben. Ohnehin wirkt Metro Exodus auch in diesem Punkt nicht konsequent genug, da es mir keine moralischen Entscheidungen abverlangt, bei denen ich mein Handeln hinterfragen und womöglich mit entsprechenden Konsequenzen oder Einbußen rechnen müsste. Es fühlt sich vieles gleichgültig an. Auch, weil die Bindung zu Artjom nur schwer aufgebaut werden kann, doch dazu später mehr.


Metro Exodus
Lass uns reden: Olga hat einiges zu erzählen.


Abwechslungsreiche Welt und Gefahren



Mit der Aurora durchqueren wir nicht nur vier Jahreszeiten und reisen tausende Kilometer quer durch Russland, sondern erleben im Grunde auch drei zusätzliche größere Geschichten in den einzelnen Gebieten, in denen wir mit unserer Dampflok anhalten. Mit den wenigen optionalen Nebenmissionen bekommt man so gerade ausreichend Story-bezogene Inhalte geliefert, ohne mit Aufgaben erschlagen zu werden. Nicht nur optisch wird durch die unterschiedlichen offenen Zonen eine tolle Abwechslung geboten, auch die Spielweise ändert sich - zumindest in spürbaren Nuancen. Dabei lassen mich 4A Games nicht nur an der Oberfläche agieren, wo Fahrzeuge wie ein rostiger Bus oder vielerorts auch Boote als weitere Neuerung zu nennen wären, sondern auch immer wieder in dunkle und enge Verliese und Tunnelsysteme zurückkehren. Der Mix und das Pacing sind gut gelungen und Exodus wechselt sowohl in den gescripteten Abschnitten als auch durch meine eigene Wahl fließend zwischen Action- und Stealth-Gameplay, der Erkundung und beklemmend gruseligen, fast schon Horror-ähnlichen Situationen.

Die Gegnervielfalt ist überschaubar, die Feinde wirken aber dennoch bedacht platziert und authentisch in Szene gesetzt – außerdem bietet jede Klimazone ihre eigenen Gefahren, darunter auch größere Herausforderungen mit Bosskampf-Charakter, wobei sich die Vielfalt in erster Linie auf die Mutanten und das Viehzeug konzentriert. Menschliche Gegner ähneln sich sehr und werden daher auch meist nur als Banditen abgestempelt, auch wenn sie unterschiedlichen Fraktionen angehören. Bei der Gegner-KI verhält es sich genauso: Während die Mutanten für Überraschungsmomente, Spannung, Nervenkitzel und gerne auch mal für brenzlige Situationen inklusive Angstschweiß sorgen - ich habe auf dem zweiten von insgesamt fünf Schwierigkeitsgrade gespielt -, bleiben die humanoiden Widersacher und Figuren schlichtweg langweilig. Sie stellen selten eine Gefahr dar, verharren im direkten Feuergefecht meist an gleicher Stelle in Deckung und koordinieren sich untereinander schlecht oder gar nicht.

Auch bei der Steuerung wirkt manches nicht mehr zeitgemäß. Dass ich zum Klettern oder Kriechen ständig zunächst in der richtigen Position zum Objekt stehen muss, nur um dann durch das Gedrückhalten einer Taste eine kurze Animation einzuleiten, bevor ich mich weiterbewegen kann zum Beispiel. Das reißt mich unnötig aus dem Spielfluss. Hier wäre nach all den Jahren sicherlich mehr drin gewesen.


Los, überzeug mich!



Die authentische Endzeit-Atmosphäre, die angesprochenen Details, das aufs Wesentliche reduzierte HUD und das bewusste Weglassen zahlreicher Anzeigen und Balken sowie die spielerischen Freiheiten, wie ich Missionen und Situationen löse, haben mir auf jeden Fall sehr zugesagt. Doch ausgerechnet die in den Vorgängern vielfach gelobte Story ist es, die mich in Exodus über weite Strecken nicht packt. Sie ist an zu vielen Stellen vorhersehbar. Außerdem werde ich durch die zusätzlichen Zonen und dortigen Stories zu sehr von meinem Fokus auf "das große Ganze" weggerissen, sodass die Geschichte zusammengestückelt wirkt. Erst als ich zum Ende hin und dann im letzten Kapitel ein klares Ziel vor Augen habe und das ganze Spielerlebnis darauf ausgerichtet wird, fühle ich mich wohl. Zuvor erschienen mir die erzählerisch herbeigeführten Stopps der Aurora zwar nachvollziehbar und sinnvoll, aber dennoch zu künstlich.

Vor allem das letzte Kapitel mutiert dann jedoch zum regelrechten Psychohorror mit intensivem Spielgeschehen - und zwar rückblickend betrachtet im positiven Sinne. Hier ziehen 4A Games nochmal alle Register und kombinieren Survival mit packendem Horror-Gameplay, das man womöglich sonst in einem Alien: Isolation oder anderen Genrevertretern vermuten würde. Erst dann wirken für mich viele der Emotionen glaubhaft, lassen mich mit den Figuren mitfiebern, mich nochmal intensiver in Artjom versetzen und den festen Willen und Ehrgeiz wachsen, dass Scheitern keine Option ist.


Metro ExodusMetro Exodus
Alles beginnt im eiskalten Winter. Alles endet im eiskalten Winter?


Technische Brillanz - und unerklärliche Schwächen



Zweifelsfrei dürfte die PC-Version optisch die schönste und Metro Exodus besonders auf Rechenknechten mit potenter Grafikkarte ein Augenschmaus sein. Doch auch die von mir gespielte Fassung auf der PlayStation 4 Pro macht eine ordentliche Figur und liefert bei Bildrate und Detailgrad ein gutes Erscheinungsbild. Die Mimik und Gesichter der Charakter wirken hingegen wenig überzeugend und steif, auch in manchen Zwischensequenzen und insbesondere in Innenräumen kommt das typische "Engine-Feeling" rüber. Dass Gesprächspartner, wie in diesem unschönen Beispiel, das jedoch kein Einzelfall blieb, dann auch noch wie in einem Jump-Cuts-Video von einem YouTuber wirken, ist schade bis peinlich. Das passt nicht mit den handgemachten, wunderschönen offenen Gebieten und der Liebe zum Detail in anderen Dingen zusammen.

Auch der Sound muss von mir definitiv kritisiert werden, da er mich an unzähligen Stellen über das gesamte Spiel hinweg enttäuscht und geärgert hat. Dabei meine ich nicht diesen extremen Ausnahmefall (spoilerfrei), sondern die generelle Mischung. Mal sind die (räumlichen) Stimmen zu laut, mal zu leise, ein anderes Mal reden alle durcheinander - wie in einer schlechten Talkshow -, sodass man wichtige Passagen nicht mitbekommt. Da man im Menü nur die Hauptlautstärke und Musik regulieren kann, musste ich damit leider auch leben.

Schade ist übrigens auch, dass Artjom nach wie vor lediglich während der Ladebildschirme zu Wort kommt. Ansonsten bleibt er im gesamten Spiel stumm und wirkt stellenweise wie ein gewöhnlicher Befehlsempfänger, der keine Widerworte gibt. An der Stelle hätte man womöglich nochmal die Bindung und Identifikation zur Hauptfigur verstärken können, in einem Story-fokussierten Spiel meiner Meinung nach sogar müssen. Unfreiwillig komisch wirkt dies vor allem dann, als Artjom jemanden überreden soll - dann aber andere für ihn sprechen und ich ohne Handlungsmöglichkeit zum Zuschauer degradiert werde. Zum Glück hat man bei der Besetzung der deutschen Sprecher auf einen russischen Pseudodialekt verzichtet, sodass zumindest eine passable Synchro herausgekommen ist.

Die Ladezeiten sind nur zum Start eines Gebietes bzw. beim direkten Laden vorhanden, hier eventuell etwas länger, aber sonst nicht spürbar. Das automatische Speichern geschieht sehr großzügig an allen wichtigen Punkten und dauerhaft beim Durchstreifen der Welt, sodass durchschnittlich rund fünf Minuten zum letzten Speicherpunkt verstreichen – zudem bietet die Schnellspeicher-Option noch eine weitere Möglichkeit. Dennoch hätte ich mir auch zusätzliche Speicherslots gewünscht, um zum einen nach dem Durchspielen – unabhängig von der Kapitelauswahl – bestimmte Stellen nochmal (anders) erleben zu können oder die Karte vollständig zu erkunden. Denn einmal mit dem Zug weitergereist, gibt es kein Zurück, verpasste Chancen oder Erkundungen sind in diesem Spieldurchgang dann passé. Zum anderen wäre es auch wünschenswert gewesen, um ungünstige Speicherpunkte zu vermeiden.

Wer Russland einmal fernab von Metro Exodus bestaunen möchte, dem kann ich an dieser Stelle übrigens die fünfteilige Terra X Dokumentation "Russland von oben" ans Herz legen - von der ich mich auch für die Überschrift inspirieren ließ. Darin erwartet euch eine ganz ähnliche ausführliche Reise quer durch das größte Land der Erde, mit beeindruckenden Bildern.



Kithaitaa

Fazit von Darius:

Dass Metro Exodus auch für mich als Neuling der Metro-Reihe funktioniert und ich die oft zitierten Stärken des Shooters nun nachvollziehen kann, lässt sich nicht von der Hand weisen. Der Schritt raus aus den Tunneln der Metro-Station, um dem narrativen Fokus von Artjom zu folgen, erscheint logisch und nachvollziehbar, dürfte auch für eingefleischte Metro-Fans eine Bereicherung sein und wird durch die Geschichte gut vermittelt. Auch die Umsetzung der vier Jahreszeiten mit ihren abwechslungsreichen Zonen hat mich überzeugt. Ebenfalls schön: 4A Games bleibt trotz der veränderten Bedingungen dem ernsten Endzeit-Szenario treu, ohne in kunterbunte "Apokalypse ist geil"-Ballerorgien abzudriften, wie es so manch andere Entwicklerstudios gerade tun.

Die Balance zwischen Survival-, Shooter- und Stealth-Gameplay, dem Erkunden in den weitläufigen Arealen und dem Zurückkehren in enge Verliese und Tunnel, welche mit Horror-Elementen garniert werden, ist gut gelungen. Auch die wundervoll erfrischende Reduzierung auf das Nötigste im Bezug auf HUD, Marker und anderen Ballast haben mir sehr gut gefallen und verstärken die Immersion ungemein.

Die Liebe zum Detail von 4A Games ist an sehr vielen Stellen erkennbar, vor allem die optionalen Erzählungen durch Charaktere, Bücher oder Audiologs bis hin zum interaktiven Storytelling sind toll. Dennoch hätte die Geschichte für mich packender erzählt und inszeniert werden dürfen. Gerade die neue Offenheit wirkt hier hinderlich und lenkt zu sehr vom großen Ganzen ab. Erst das letzte Kapitel zog mich in seinen Bann. Für ein Abenteuer wie dieses ist das wirklich schade. Dass Artjom zudem noch immer stumm bleibt und sich nur während der Ladebildschirme zu Wort meldet, halte ich für eine weitere verpasste Chance in einem Spiel, das immerhin von seiner Narrative lebt.

Schlussendlich hat mich Metro Exodus zwar rund 20 Stunden gut unterhalten, aber nicht vollends überzeugt. Dennoch ist mir das Erlebte durchaus eine Empfehlung wert und Metro-Fans werden wohl ohnehin zugreifen, obgleich 4A Games nicht nur seinen Stärken, sondern auch seinen Schwächen treu geblieben ist.

Besonders gut finde ich ...
  • abwechslungsreiche und stimmungsvolle Spielwelt
  • authentisch inszeniertes Endzeit-Szenario
  • ausgewogene Balance und Mix von Gameplay-Mechaniken
  • Reduzierung des HUD und sonstigem auf das Wesentliche
  • glaubwürdiges Ressourcen-Management ohne Sammelwahn
  • weitestgehende Freiheiten beim Spielen und optionale Aufgaben
  • viel Liebe zum Detail bei den Kulissen
  • interaktives Storytelling durch optionale Gespräche und das Eingehen auf die Spielweise und Ereignisse
  • Abwechslung durch Klimazonen sowie dem Mix aus offener Oberwelt und Rückkehr in enge Tunnel und Höhlen
  • vielfältige und gut in Szene gesetzte Mutanten-Gegner und Gefahren
  • Spielweise wirkt sich auf das Ende und den Story-Verlauf aus
  • Spielzeit von rund 20 Stunden mit gutem Pacing
  • fünf verschiedene Schwierigkeitsgrade
  • Fotomodus direkt zum Launch verfügbar
  • kaum Ladeunterbrechnungen
Nicht so optimal ...
  • schlechte Soundabmischung bei Gesprächen (laut, leise, durcheinander)
  • Geschichte wirkt zusammengestückelt, der rote Faden nicht packend genug inszeniert und in das Spielgeschehen integriert (außer letztes Kapitel)
  • Hauptfigur Artjom bleibt im Spiel (weiterhin) stumm, liest nur während Ladebildschirmen vor. Dadurch geringe Identifikation mit Artjom
  • die meisten Figuren bleiben uninteressant, wenig Tiefe oder Bindung (trotz optionaler Gespräche)
  • Steuerung beim Klettern, Kriechen u.ä. stockt den Spielfluss
  • menschliche Gegner wirken langweilig und durchgehend einheitlich
  • KI der menschlichen Gegner fragwürdig (eventuell vom Schwierigkeitsgrad abhängig)
  • Speichersystem ohne zusätzliche Slots

Darius hat Metro Exodus auf der PlayStation 4 Pro gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Deep Silver zur Verfügung gestellt.

Metro Exodus - Boxart
  •  
  • Entwickler:4A Games
  • Publisher:Deep Silver
  • Genre:FPS
  • Plattform:PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series
  • Release:15.02.2019
    (PS5, Xbox SX) 18.06.2021

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel, ATeC ... und 11 Gästen.
  • Philipp
    #1 | 17. Februar 2019 um 16:36 Uhr
    Klingt alles für mich passend, auch wenn die Kritikpunkte ein wenig meine Erwartung bremsen. Dennoch: Wenn demnächst der Urlaub ansteht, werde ich die Reise wohl antreten  

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