Maskmaker - Review

Fasching bzw. Karneval läutet traditionell die Fastenzeit ein. Das geht schon aus dem Wortursprung "Carnevale", lat. carne = Fleisch, vale = "Lebe wohl", hervor. Ich verabschiede mich jedoch nicht von der Fastnacht, sondern gebe ihr stattdessen in Maskmaker ein neues Antlitz. In den Straßen von Venedig gelegen, findet sich mein kleiner aber durchaus gut sortierter Maskenladen, in welchem ich die tollsten Gesichtsbedeckung herstelle und auf diese Weise Türen in andere Welten öffne. Also hereinspaziert, liebe Freunde, und schaut euch um. Es gibt viel zu entdecken!

Als ich gelesen habe, dass die Macher von A Fisherman's Tale ein neues Spiel in der Pipeline haben, wurde ich sofort hellhörig. War das Abenteuer der kleinen Holzpuppe in seinem Leuchtturm doch ein absoluter Augenschmaus und wunderbar erzählt. Natürlich konnte ich Maskmaker da nicht unbeachtet in der VR-Nische untergehen lassen. Kurzum habe ich mir mein Oculus Quest 2 VR-Headset aufgesetzt, mein virtuelles Ticket nach Italien eingelöst und mich auf den Weg in die sagenumwobene Werkstatt gemacht, deren Masken eine ganz besondere Fähigkeit innewohnt.


Maskmaker
In dieser unscheinbaren Werkstatt geschehen wahre Wunder.


Lehrjahre sind keine Herrenjahre



Beim abendlichen Schlendern durch die verlassenen und dunklen Gassen der Stadt weht mir ein Flyer entgegen. Der örtliche Maskenbauer versucht scheinbar, einen Ausbildungsplatz zu besetzen. Nun gut, vorbeischauen kann man da ja mal. Vor dem Laden angekommen entfaltet sich im Innern ein Zwist zwischen zwei Personen, den ich zwar hören, doch nur schemenhaft als Silhouette durch die Fenster wahrnehmen kann. Nachdem der Streit zwischen den beiden ausgefochten und ein Spiegel lautstark zu Bruch gegangen ist, darf ich das Geschäft betreten. Offenbar wurde ich Zeuge eines Konfliktes, der längst vergangen war. Alles ist dunkel, die Scherben des Spiegels sind mit Staub bedeckt und niemand antwortet auf meine Rufe.

Doch was ist das? Eine Stimme verrät mir, dass es hier mehr zu entdecken gibt, als der Schein trügt. Und tatsächlich mache ich drei Drehscheiben in der Wand aus, die an den Schließmechanismus eines Safes erinnern. Die in der Umgebung versteckten Hinweise befolgt und an den Scheiben gedreht, öffnet sich eine verborgene Tür und gewährt mir Zutritt in das Allerheiligste eines Maskenmachers - seine Werkstatt! Ich schaue mich natürlich sofort um und entdecke dabei allerlei Interessantes. Baupläne, Pinsel, Mannequins, Farbeimer und verschlossene Schatullen wecken sofort meine Neugier.

Die Stimme in meinem Kopf weist mich auf den Schraubstock am anderen Ende des Raumes hin, den ich sofort begutachte. Auf dem Boden neben ihm lagern große Holzstücke. Der geneigte Hobbyschreiner weiß sofort was zu tun ist. Ich spanne also einen der dicken Kiefernscheite ein und bearbeite ihn mit Stechbeitel und Hammer, um die grobe Form meiner Verkleidung festzulegen. Danach geht es an die Feinheiten.


MaskmakerMaskmaker
Diese kunstvoll verzierten Masken helfen mir, in fremde Welten zu fliehen.


Hoher Tragekomfort



Hier sei bereits erwähnt, dass sich Maskmaker sehr angenehm bedienen lässt. Die Komforteinstellungen im Menü sind äußerst umfangreich und viele Optionen erleichtern die Steuerung oder helfen beim mildern der Simulatorkrankheit (Simulator Sickness). Das reicht von Vignetten am Bildrand bei der Bewegungen, über mehrere Arten der Teleportation, einen optional einstellbaren "Sitz-Modus", die Größe und Positionierung von Untertiteln, bis hin zur graduellen Justierung des Umdrehens beim Antippen der Joysticks. Leider ist gerade das Drehen manchmal etwas umständlich, da ich beispielsweise nach rechts drücke und ungewollt um 180° nach hinten ausgerichtet werde. Das sorgt für Verwirrung und manchmal Unwohlsein. Hier sollte noch nachgearbeitet werden, bei anderen VR-Titeln wie H3VR, dem Job Simulator oder Blade and Sorcery klappt es mit dem sanften Wenden ja auch problemlos. Und diese Spiele sind deutlich "schneller".

Aber nun weiter zu den namensgebenden Masken. Ich wechsle den Arbeitsplatz und gehe mit meinem freigelegten Rohling vom Schraubstock zur Farbstation, wo ich sie in das rot gefärbte Becken eintauche. Fertig koloriert montiere ich sie auf einer Art Dummy, der mir die weitere Arbeit erleichtert. Nun werden kleine Accessoires an ihr platziert, um sie von einer einfachen Holzmaske zu etwas ganz speziellem zu machen. Plötzlich leuchten ihre Augen weiß auf! Ob ich es wagen soll, sie anzuziehen?

Kaum habe ich mir die Maske vors Gesicht geschnallt, stehe ich plötzlich nicht mehr in der Werkstatt sondern an einem wunderschönen Strand, mit tiefblauem Meerwasser vor mir. So lerne ich, dass jede Maske als Portal in eine andere Welt fungiert. Auf dieser Insel angekommen kann ich mich nun frei bewegen, die Umgebung erkunden und so beim Herumstöbern neue Ressourcen für meine Masken finden. Eine Muschel, zum Beispiel. Ein Stück Seegras oder eine kleine Koralle machen sich prächtig auf den Holzvisagen. Doch irgendwann komme ich an eine eingestürtzte Brücke, die ich nicht überqueren kann. Auf der anderen Seite kann ich jedoch eine Figur erspähen, die eine ähnliche Maske anhat, wie ich. Durch längeres gedrückt halten der "Greifen"-Taste beschwöre ich mein Fernglas herbei und kann diesen kunstfertig geschnitzten Gesichtsschmuck "scannen". Ein kurzes Aufleuchten zeigt mir an, dass ich eine neue Blaupause freigeschaltet habe, die ich, zurück in der Werkstatt, selbst nachbauen kann.

Also ziehe ich mir die aktuelle Maske vom Gesicht und werde augenblicklich wieder in der vertrauten Heimeligkeit meiner Werkstatt wach. Hier kann ich mich nun an die Arbeit machen und eine neue Maske auf Grundlage der gerade erworbenen Blaupause zimmern. Die dafür benötigten Ressourcen hatte ich ja zuvor beim Erkunden des Strandes gefunden, welche mir nun in unbegrenzter Anzahl im Schaukasten vor mir zur Verfügung stehen. Sobald ich dann das neue Pinocchio-Antlitz aufsetze, werde ich in den Körper der anderen Figur teleportiert. So kann ich auch größere Distanzen in den fremden Welten überspringen und Schluchten überwinden, obwohl es keinen physischen Weg dorthin gibt.


MaskmakerMaskmaker
Vom Strand, zum Sumpf und rauf auf hohe Berggipfel: Insgesamt gibt es acht Biomen zu bewundern.


Eine schöne Reise, jedoch ohne viel kreativen Freilauf



Auf diese Weise bewege ich mich durch die ganz ansprechende Geschichte, finde in tiefen Tälern Schlangenzähne, auf hohen Bergen Federn und Wolle und viele weitere Teile für Blaupausen neuer Masken. Natürlich führt nicht immer der direkte Weg zum Ziel. Auch das ein oder andere Schalterrätsel will gelöst, Rezepte zusammengebraut und Schafe geschoren werden. In einem Sumpf versperren mir überall Ranken von parasitären Pilzen den Zugang zu weiteren Gängen, derer ich mich entledigen muss. Also wird ein Unkrautvernichter im zentral gelegenen Hexenkessel gebraut, für den ich jedoch erst Ingredienzien besorgen muss. Ist das Zeug fertig gemixt, wird es in eine Sprühflasche gefüllt und das große Jäten kann beginnen.

Allerdings wiederholt sich dieses Konzept sehr schnell. Wo ein Fisherman's Tale noch wusste, wie lang es sein muss, kommt es mir hier so vor, als bliebe der Maskmaker etwas zu lange in den mysteriösen Welten gefangen. Die Biome ändern sich nicht allzu sehr und auch das Sammeln von weiteren Bestandteilen weist nach drei Stunden bereits Ermüdungserscheinungen auf. In der Maskengestaltung werden einem leider, anders als in der Bewegung durch diese faszinierenden Orte, keine Freiheiten eingeräumt. Ich muss immer nach den vorgegebenen Blaupausen bauen. Selbst kreativ werden kann ich zwar, jedoch sind diese Masken letzten Endes nutzlos und transportieren mich nirgendwo hin.

Hätte man hier nicht etwas prozedural generieren können, basierend auf den Einzelteilen und Farben, die ich meiner Maske verpasse? In einem separaten Schrank speichern kann ich eigene Kreationen auch nicht, sie vergehen mit der Zeit einfach. Lediglich zum Finale hin darf ich eine Kostümierung ganz nach eigenem Gusto bauen, was aber schlussendlich keinen Einfluss auf die Story hat. Schade.

Nach fünfeinhalb Stunden ist die Reise dann auch schon wieder zu Ende und ich werde mit einer sehr gut choreografierten Tanzeinlage nach draußen geleitet. Was bleibt, sind die durchaus ansehnlichen Masken, die über die Zeit immer komplexer wurden und später auch im Kleinen mit dem Pinsel neue Farbkleckse aufgetragen bekamen. Innerspace VR hat zwar erneut viele schnuckelige Details in der virtuellen Realität untergebracht, aber durch das sich wiederholende Gameplay und die fehlende kreative Freiheit bleibt Maskmaker leider etwas hinter den Erwartungen zurück.

Trotzdem möchte ich hervorheben, dass die Franzosen hier eine gute Idee und interessante Herangehensweise für das Medium VR bieten. Das hin und her springen zwischen den Welten funktioniert ohne Ladezeiten, auf und Absetzen der zweiten Holzhaut geht völlig problemlos und intuitiv von der Hand und Objekte lassen sich nicht nur an einer Stelle steif aufheben, sondern in den Händen rotieren, anfassen, umgreifen und fühlen sich dabei "echt" an. Ich bin durchaus gespannt, wie es mit dem Studio weitergeht und was als nächstes aus Paris zu mir auf das VR-Headset wandert.



Energiekuchen

Fazit von Tobias:

Maskmaker war im Großen und Ganzen ein netter Ausflug, auch wenn die Prämisse des Spiels seine Dauer nicht überlebt. Die Suche nach neuen Komponenten machte anfangs als frische Idee Sinn, fühlte sich jedoch ab der Hälfte der Story etwas nach Grind an. Die von diesem Zeitpunkt an nicht mehr sonderlich abwechslungsreichen Umgebungen tragen ihren Teil zum baldigen Verschleiß bei.

Nichtsdestoweniger hat das herumprobieren mit Ressourcen, das Klöppeln neuer Masken und deren Verzierung, sowie das Erkunden der sehr hübschen Welten immer Spaß gemacht. In die flauschig anmutenden Bäume im Gebirge würde ich gerne hineinbeißen - wie Zuckerwatte sehen die aus. Und der Spaziergang am Strand hat mir klar gemacht, wie sehr ein Urlaub doch von Nöten wäre - Stichwort Fernweh. Weißer Sand unter den Füßen, Palmen in unmittelbarer Nähe und Muscheln sammeln. Zumindest in VR konnte ich das dank Maskmaker nachholen.

Die Geschichte des Großmeisters der seinen Schüler ausbildet, fügt sich dabei angenehm ins Spielgeschehen ein und plätschert gemütlich vor sich hin. Wirklich tiefgreifend ist sie nicht, aber sie tut ihr nötiges, um mich bis zum Ende bei der Stange zu halten. Wer schnelles action-geladenes Gameplay braucht, sollte sich Half-Life: Alyx zulegen. Wer mit der Familie oder Freunden einen entspannten Abend mit lockerer Story verbringen möchte, darf sich gerne ein paar Masken zusammenbasteln.

Besonders gut finde ich ...
  • das Bauen von Masken geht einfach von der Hand
  • gute Idee, die Masken als Portal in andere Welten zu nutzen
  • wunderschöne, abwechslungsreiche Umgebungen
  • flüssige und glaubhafte Bewegungen der NPCs
  • angenehmer Soundtrack der unterstreicht und nicht aufdringlich wirkt
Nicht so optimal ...
  • das Umdrehen hakt ab und an
  • die Reichweite zum Aufheben von Objekten könnte einen Tick größer sein
  • ab der Hälfte viel Wiederholung, wenig Abwechslung
  • keine kreative Freiheit beim Maskenbau
  • von acht Biomen fühlen sich nur vier wirklich "unterschiedlich" an
  • keine gute Weitsicht, Objekte ploppen ins Bild

Tobias hat Maskmaker auf dem PC mit Oculus VR gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von MWM Interactive zur Verfügung gestellt.


Blog-Archiv April 2021#MaskmakerVR#Indiegame#Puzzle#VR#OculusQuest2#PSVR
Maskmaker - Boxart
  •  
  • Entwickler:Innerspace VR
  • Publisher:MWM Interactive
  • Genre:Puzzle-Adventure
  • Plattform:PC, PS4
  • Virtual Reality:Oculus VR, PlayStation VR, Steam VR
  • Release:20.04.2021